Rezeptfrei agil

New Work bei der Teambank:
Rezeptfrei agil

Vorgefertigte Rezepte für die agile Transformation? Die Teambank setzt lieber auf einen organischen Wandel von innen heraus. Der zentrale Grundsatz dabei: Was nicht zum Unternehmen und dessen Werten passt, wird wieder ausgespuckt. Neue Wege, die funktionieren, verstetigen sich dagegen wie Trampelpfade. Gerade in der Corona Krise hat sich gezeigt, dass das Unternehmen damit vieles richtig macht.

„Krise können wir“, sagt Christian Polenz, der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Teambank bei einem Treffen Ende Juni in der noch recht leeren Firmenzentrale des Unternehmens in Nürnberg. Zu diesem Zeitpunkt haben sich – nach dem vollständigen Corona-Lockdown und der nun schrittweisen Rückkehr – noch immer nur wenige der 750 von insgesamt 1.000 Mitarbeitenden der Bank eingefunden, die hier ihren Arbeitsplatz haben. Als Mitte März die Infektionszahlen in die Höhe schnellten, versammelte sich die Führungsriege um die Fahne – wie Polenz es formuliert – und hat sich gefragt: „Was machen wir jetzt?“ Schnell waren sie sich einig: Der Belegschaft wird dringend empfohlen, im Homeoffice zu bleiben. Ebenfalls sehr früh entschied die Unternehmensleitung jedoch auch: Entlassungen und auch Kurzarbeit wird es nicht geben. Wir bewältigen die Krise aus eigener Kraft, um unseren Kunden und Partnern zur Seite zu stehen.

Selbstverständlich war diese Entscheidung nicht. Denn auch bei der Teambank brach das Geschäft mit dem Hauptprodukt easyCredit, einem Ratenkredit für Verbraucher, aufgrund von Corona dramatisch ein. Ein entscheidender Grund dafür neben dem allgemeinen Konsumrückgang: Der Kredit wird von den Kunden zum überwiegenden Teil in den Filialen der Vertriebspartner, der Volks- und Raiffeisen- sowie der Spardabanken, abgeschlossen. Da jedoch auch hier viele Mitarbeitende im Homeoffice arbeiteten und die Filialen schlossen oder ihre Öffnungszeiten einschränkten, musste eine neue Lösung her.

In der Corona-Krise reagiert die Bank schnell und innovativ

In kürzester Zeit schufen die Teambanker eine neue Vertriebsoberfläche, über die die Kundenberater der Partnerinstitute den Kredit telefonisch anbieten und abschließen können. In wenigen Wochen schulten sie 16.000 Berater im Umgang damit. Polenz: „Für einen solchen Veränderungsprozess braucht man normalerweise 18 bis 24 Monate.“

Eine weitere kritische Entwicklung, auf die die Teambank schnell reagiert hat: Da deutlich mehr Kunden als sonst in finanzielle Schwierigkeiten gerieten, ermöglichte sie ihnen über die gesetzlichen Regelungen hinaus, die Ratenzahlungen flexibel anzupassen und unbürokratisch zu stunden. Das telefonische Servicecenter wurde um 60 Mitarbeitende aus anderen Unternehmensbereichen aufgestockt. Zum großen Teil meldeten sie sich freiwillig und übernahmen den für sie ungewohnten und mitunter auch belastenden Job, mit in Not geratenen Kunden die jeweils beste Lösung zu finden.

Nicht auf das Negative schauen, sondern die Chancen sehen und im Hier und Jetzt bestmöglich handeln. Das war für die Teambank ein wichtiger Leitspruch in der Krise, der sich auch ausgezahlt hat. Ende Juni ist sich der Vorstand sicher, dass die Teambank das laufende Jahr mit einem „vernünftigen“ positiven Ergebnis abschließen wird. Die wichtigsten Grundpfeiler dafür laut dem Vorstandsvorsitzenden Frank Mühlbauer: „Dass die Mitarbeiter sich sicher gefühlt haben, dass wir zu unseren Werten gestanden und uns flexibel auf die neue Situation eingestellt haben.“ Gerade auch unter dem Druck der Krise haben sich damit zentrale Aspekte der Unternehmenskultur der Teambank gezeigt, die über ihre Branche hinaus als besonders werteorientiert und agil und damit zukunftsweisend bekannt ist.

Wann der Kulturwandel bei der Bank begonnen hat, weiß niemand

Jährlich kommen 3.000 bis 4.000 Besucher aus anderen Firmen, die sich vor Ort einen Eindruck davon verschaffen wollen. Was die Besucher als Erstes sehen, ist ein Firmengebäude, das an die Zentralen der großen Digitalfirmen im Silicon Valley er-innert. Ins Auge fallen die vielen offenen und ansprechenden Arbeitsbereiche, die den Austausch fördern sollen: Es gibt eine Safari-Lounge, in der sich Vier-Augen-Gespräche auf einem Leoparden- und einem Zebrasessel führen lassen. Es gibt einen Dschungel mit vielen Grünpflanzen und ein besonders ruhiges Lavendelzimmer. Es gibt Spielekonsolen und einen Basketballkorb. Es gibt verschiedene Kaffeebars und ein mittendrin gelegenes, halbrundes Auditorium, in dem die Zuhörer auf bunten Kissen auf den Stufen sitzen. Für das konzentrierte Arbeiten wiederum gibt es kleine gläserne Büros. Was es nicht gibt, sind feste Arbeitsplätze. Mit Laptops aus-gestattet suchen sich die Mitarbeitenden vielmehr den besten Ort für die jeweilige Tätigkeit. Die Teams haben zwar ihre sogenannte Home Zone, grundsätzlich kann aber jeder überall im Haus arbeiten und sich mit Kollegen treffen und austauschen.

„Normalerweise brummt es hier wie einem Bienenkorb“, erklärt Diana Stracke, die Leiterin der Personalentwicklung, beim Gang durch das Haus, den sie häufig auch mit den Besuchern macht. Oft wird sie dabei von den Führungskräften der anderen Unternehmen, deren eigenes Arbeitsumfeld sich deutlich davon unterscheidet, gefragt: „Wann hat der Kulturwandel bei der Teambank angefangen?“ Eine einfache Antwort darauf hat Stracke jedoch nicht, weil hier nicht wie bei anderen Firmen – etwa bei der ING Diba – auf einen Schlag grundlegend neue Organisationsstrukturen und Formen der Zusammenarbeit eingeführt wurden. Die Transformation erfolgt nicht revolutionär, sondern „organisch“, wie Stracke es formuliert. Doch wie genau muss man sich das vorstellen? Stracke: „Grundsätzlich gibt es für uns keinen Anfangspunkt, sondern es gibt eine Art von Kultur und Haltung, die uns ausmacht – und das schon seit 20 Jahren.“

Geprägt wurde das Unternehmen seit jeher durch die Notwendigkeit, sich an neue Bedingungen anzupassen. „Wir haben mehrere Metamorphosen und Häutungen hinter uns. Wir sind Wandel gewohnt“, erklärt Vorstand Polenz. So wurde die Norisbank 2003 von der zum Finanzverbund der Volks- und Raiffeisenbanken gehörenden DZ-Bank gekauft und 2007 zum großen Teil an die Deutsche Bank verkauft. Übrig blieb ein Teil, der sich zur Teambank umfirmierte und auf das Geschäft mit dem Konsumentenkredit konzentrierte. Dieser Kredit, für den der Kunde dank voll maschineller Kreditentscheidung in wenigen Minuten eine Zusage erhält und mittlerweile auch sofort sein Geld erhalten kann, ist bis heute eine Erfolgsgeschichte, allerdings nicht ohne Rückschläge. So wurden die easyCredit Shops, die die Bank zwischenzeitlich bundesweit eröffnet hatte, im Jahr 2015 wieder geschlossen – „damals ein heftiger Schritt“, sagt Polenz.

Nicht den erwünschten Erfolg brachte auch die App Fymio, die die Kunden bei ihrem persönlichen Liquiditätsmanagement unterstützen und für die Teambank ein wichtiger Schritt in die Zukunft sein sollte. Mittels einer Analyse seiner gesamten Kontobewegungen sollte sie dem Nutzer helfen, den Überblick über seine Ausgaben zu behalten – denn die Unübersichtlichkeit der Ausgaben so wissen die Teambanker ist ein Hauptgrund für Überschuldung. Fymio wurde über die Jahre mit viel Herzblut entwickelt, doch irgendwann musste sich die Bank die Frage stellen: Haben wir ein tragfähiges Geschäftsmodell? Die Antwort lautete: Nein, das haben wir nicht. Polenz: „Also haben wir einen Cut gemacht und das Produkt eingestellt.“ Auch damit nennt er einen wichtigen Grundsatz agiler Unternehmensführung: Man muss auch scheitern können.

Duzkultur, weil es Sinn macht

Auch andere Besonderheiten neuen Arbeitens haben sich in der Bank, lange bevor man von Agility und New Work sprach, etabliert – weil sie eine naheliegende, praktikable Lösung für bestehende Probleme waren. So herrscht etwa die ausgeprägte Duz-Kultur, die sogar auf Besucher ausgeweitet wird, nicht erst, seit dies in jüngster Zeit modern geworden ist. Das Du wurde bereits im Jahr 2007 eingeführt, als die heutige Teambank aus einem Teil der ehemaligen Norisbank hervorging und auch ihren heutigen Namen bekam.

Damals war der Führungsmannschaft bei einem Strategiemeeting im Kloster klargeworden: Das Team ist das, was uns stark macht und das „Sie“ ist für eine gute und effektive Zusammenarbeit hinderlich, berichtet Vorstand Christian Polenz, der ebenso wie Diana Stracke bereits seit 20 Jahren an Bord ist. Das erklärt er an einer imaginären Szene aus dem Sport, die den Führungskräften damals schon die Augen öffnete. Zu dem Vorstandsvorsitzenden Frank Mühlbauer hinüberblickend, verdeutlicht er als ehemaliger Eishockeyspieler: „Herr Mühlbauer könnten Sie bitte mal den Puck rüberspielen.“ In dieser Förmlichkeit sei man schlicht und einfach zu langsam.

„Spring ins kalte Wasser, probiere Dich aus!“

Pragmatisch und nicht einer Managementmode folgend, geht die Bank an die Dinge heran. Personalmanagementleiter Matthias Rauh entkräftet denn auch einen möglichen Gedanken im Hinblick auf Firmengebäude und Duzkultur. „Wir sind gar nicht so bensonders jung und hip.“ Der Altersdurchschnitt liegt bei 43, die durchschnittliche Betriebszugehörigkeit bei 13 Jahren. Dabei allerdings blicken auch die nicht mehr ganz so jungen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Bank auf eine Sozialisation zurück, die von Anfang an darauf ausgerichtet war, ihre Eigenverantwortung zu stärken – was heute ebenfalls als wichtiges Merkmal agiler Unternehmen gilt.

Auch Diana Stracke ist durch eine entsprechende Schule gegangen, als sie nach dem Abitur als Azubi bei der Norisbank angefangen hat. „Nach gefühlt drei Wochen saß ich allein am Schreibtisch und musste mich durchschlagen – und das an einem Donnerstagnachmittag, als besonders viel los war“, erzählt sie. Mit 26 Jahren leitete sie die erste Filiale, nach zehn Jahren Führungstätigkeit im Vertrieb übernahm sie als Quereinsteigerin vor sechs Jahren die Leitung der Personalentwicklung. Auch heute heißt es bei der Teambank nicht: „Du hast zu wenig Erfahrung.“ Sondern: „Spring ins kalte Wasser, probiere Dich aus!“

Holakratie? Spotifiy-Modell? Die Bank geht lieber eigene Wege

Über solche Grundsätze hinaus folgt die Personal- und Organisationsentwicklung der Bank grundsätzlich keinen vorgefertigten Rezepten. Das bedeutet auch, dass das Unternehmen nicht auf ein Konzept wie etwa die Holakratie oder das sich verbreitende Organisationsmodell von Spotify setzt. Ebenso wenig will sich die Teambank auf einen bestimmten Führungsstil festlegen. So erklärt Stracke: „Auch als wir in das neue Haus eingezogen sind, haben wir versucht, die Anleitungen für die Führungskräfte auf ein Minimum zu reduzieren.“ Vielmehr habe sich die Personalentwicklung gesagt: „Unsere Führungskräfte können führen und das lassen wir sie erst mal machen. Sollten wir feststellen, es fehlt etwas, können wir immer noch nachjustieren – mit dem Vorteil, genau zu wissen, wo der Knackpunkt liegt.“ Stracke: „Sich abstrakt ein Jahr vorher zu überlegen, wie eine Trainingsreihe für Führungskräfte aussehen soll, wird es bei uns nicht geben.“

Untätig war die Personalentwicklung dennoch nicht. Viel mehr hat sie die Mitarbeiter gefragt, was für sie die Teambank ausmacht. Herauskristallisiert haben sich zwei Antworten: Ich bin hier, weil es hier tolle Menschen gibt. Und: Ich kann hier wirklich Verantwortung übernehmen, ich kann mich einbringen. Auf diese zwei Punkte hat sich die Personalentwicklung konzentriert und ein Leistungsversprechen, aber auch einen Anspruch an die Mitarbeiter formuliert: „Bei uns kannst Du in einem herausragenden Team die Zukunft unternehmerisch gestalten.“

Die PE fördert den Unternehmergeist der Mitarbeitenden

Auf diese zwei Punkte zahlen auch zwei der wichtigsten Instrumente der Personalentwicklung, mit denen die Teambank ihren Mitarbeitenden weniger Vorschriften macht, als Räume öffnet, in denen sie sich ausprobieren können. So geht es bei der Learning Journey darum, dass die Mitarbeiter weltweit innovative Organisationen und Unternehmen besuchen können, um sich von ihnen inspirieren zu lassen. Die einzigen beiden Anforderungen dabei: Es darf nicht im deutschsprachigen Raum sein und bei der Rückkehr müssen sie ihre Erfahrungen teilen. Was die Auswahl der Learning Journeys betrifft, schlagen die Mitarbeiter vor, welches Unternehmen sie besuchen wollen. Im nächsten Schritt entscheiden die Kollegen und Kolleginnen, welche Idee das meiste Potenzial hat, die Teambank voranzubringen. Ein weiteres Instrument heißt: Unternehmer gesucht. Bei diesem stellen die Mitarbeiter innovative Geschäftsmodelle vor, an denen sie arbeiten wollen. Auch hier entscheiden die Mitarbeiter, welche Ideen weiterverfolgt werden sollen – etwa in der Zukunftswerkstatt der Bank.

Diese Zukunftswerkstatt ist in der Zentrale verortet. Die Mitarbeitenden, die hier tätig sind, arbeiten in der zweiten Wochenhälfte in regulären Teams. Das bedeutet, so Polenz: „Sie können für ein Produkt verantwortlich sein und es selbst weiterentwickeln – in crossfunktionalen Teams, oftmals mit Unterstützung des wachsenden Bereichs Data Analytics.“ Ein „völliger Feind“ hingegen ist der Vorstand von nach in die Berliner Startup-Szene ausgelagerten Innovationlabs. Schließlich könne die Bank schlecht sagen: Wir wollen unternehmerisch denkende Mitarbeiter haben, ihnen aber gleichzeitig erklären: Innovationen bekommt ihr nicht hin, deshalb machen das jetzt andere für uns. Sicher ist er sich zudem: Will man ein extern aufgebautes Lab später ins Unternehmen eingliedern, so spuckt die Organisation das wieder aus.

Neues, das funktioniert, verfestigt sich, anderes verschwindet

Doch wie nun entwickeln sich bei der Teambank neue Strukturen, die nicht wieder ausgespuckt werden? Auf diese Frage hin zeigt Diana Stracke bei dem Gespräch auf der Dachterrasse der Teambank nach unten. „Hier schau mal“, sagt sie. Neben dem im rechten Winkel gepflasterten Weg, der von der S-Bahn zum Eingang des Gebäudes führt, hat sich eine diagonal verlaufende Abkürzung – ein Trampelpfad gebildet. Und zwar nur dieser eine und nicht mehrere, wie sie betont. Weil dieser eine Sinn mache. Diese Idee vom Trampelpfad verfolgt auch die Teambank, unter anderem mit dem eigens zur Unterstützung des Wandels gebildeten Transformationsteam. Stracke: „Wir glauben an die Gemeinschaft und lassen die Mitarbeiter experimentieren und ausprobieren. Das, was funktioniert und zu uns passt, das wird sich durchsetzen.“

Andersherum hat Stracke die Erfahrung gemacht: Immer dann, wenn der Bereich Personalentwicklung versucht hat, Veränderungsprojekte groß aufzusetzen, ist das eher schwierig gewesen. Stattdessen hätten eher kleine Schritte, wie auch die Einführung eines No-Dress-Code, die Bank nach vorn gebracht. Und so will sie es jetzt halten: „Wir setzen einen Impuls und gucken, was passiert. Von da aus gehen wir dann den nächsten Schritt, der passt und sich richtig anfühlt.“ Strackes Grundsatz, den sie auch den Mitarbeitenden immer wieder ans Herz legt: „Mach es so klein wie möglich. Mach Dinge, die Du selber entscheiden kannst, dann passiert schon etwas.“

Mitarbeiter-Ideen treiben die Organisationsentwicklung

Auf diese Weise hat das agile Projektmanagement vor etwa zwei Jahren Einzug bei der Teambank gehalten: Zunächst hatten die ITler die neuen Methoden für sich entdeckt. „Es gab dann plötzlich Scrum Master hier im Haus, was wir als Personalentwickler sehr spannend fanden“, erzählt Stracke. Zwar hörten sich die Methoden und Begriffe für sie neu an, zahlten aber auf Themen ein, mit dem sie sich schon länger beschäftigt hatten – wie man Menschen in einem Team zusammenbringt zum Beispiel oder wie man regelmäßig die Art der Zusammenarbeit hinterfragt. Also nahmen die Personalentwickler die agilen Methoden in ihre Vision von einem zukunftsweisenden Unternehmen auf und auch der Vorstand beschäftigte sich damit. Auf diese Weise bahnten sich die agilen Methoden aus der Projektwelt ihren Weg ins gesamte Haus. Gestärkt werden sie unter anderem durch eine Community of Practice der Scrum Master.

Oder ein anderes Beispiel: Anh Nguyen, eine Werkstudentin, hat das Semmelfrühstück – abgeleitet von Versemmeln – ins Leben gerufen, bei dem Mitarbeiter aller Hiearchieebenen offen von gescheiterten Projekten oder anderen Fehlschlägen im Job berichten. Christian Polenz, der daran teilgenommen hat, war begeistert und will beim nächsten Mal selbst von einem Misserfolg berichten.

Ausdrücklich erwünscht: Meinung sagen und machen

„So funktionieren die Dinge bei uns“, sagt Diana Stracke. Und was für andere besonderes persönliches Engagement ist, ist für die junge Mitarbeiterin, die auch bereits als Scrum Masterin im Einsatz ist, normal. „Ich habe ja noch nicht in einem anderen Unternehmen gearbeitet, ich kenne es nicht anders“, sagt sie.

Immer wieder fällt auf: Die Mitarbeiter aller Hierarchiestufen sprechen gern und offen über sich selbst und ihr Unternehmen und halten auch mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg. „Das fördern wir auch ganz bewusst“, erklärt Andrea Brinkmann, die für die Unternehmenskommunikation zuständig ist. In den Vorstandssitzungen ist jeweils eine Stunde für Mitarbeiter reserviert, die hier ein wichtiges Anliegen vorbringen wollen. Und auch in der Kommunikation mit ihren Führungskräften werden die Mitarbeiter dazu angehalten, ihre Anliegen deutlich zu vertreten und falls nötig um die richtige Lösung zu ringen. Brinkmann: „Kommunikation auf Augenhöhe ist uns wichtig – am liebsten ganz direkt.“ Um darüber hinaus auch wirklich jede Schwingung in der Belegschaft zu erfassen, gibt es für die Mitarbeitenden auch Gelegenheiten, sich anonym zu äußern.

Nicht zuletzt funktioniert der Wandel, weil es Mitarbeiter gibt, die sich dafür stark machen, so wie auch Tamara Kess, die sich im Unternehmen immer wieder neue Aufgaben gesucht hat. Gekommen war sie für den Bereich Personalentwicklung, den sie später auch geleitet hat. Dann übernahm sie ein Softwareprojekt und baute anschließend – da sie die Notwendigkeit erkannt hatte – das Projekt- und Portfoliomanagement der Teambank auf. Im Jahr 2018 lernte sie das agile Arbeiten kennen. „Ich habe gesehen, was die Scrum-Methodik mit den Teams macht. Das hat mich so begeistert, dass ich meine Führungskraft überzeugt habe, mich für das Thema agile Transformation freizustellen“, sagt sie. Ihren Job als „Agile Transformation Angel“ erklärt sie so: „Ich investiere meine Arbeitszeit in das Finden eines Unternehmens, das uns agiles Arbeiten ermöglicht.“ Und: „Das tue ich jetzt seit Herbst 2018 mit Aufs und Abs, mit begeisterten Momenten und mit resignierten Momenten.“

Die schwierigen Momente, von denen Kess spricht, hängen oftmals damit zusammen, dass es in der Teambank nach wie vor eine Hierarchie gibt – ganz klassisch mit Vorstand, Bereichs-, Abteilungs- und Teamleitern. Und die Treiber der Transformation bemerken immer wieder, dass die neue Art der Zusammenarbeit, die sich entwickelt, von dieser Hierarchie ausgebremst wird. So zieht zum Beispiel ein Bereichsleiter wichtige Experten aus einem crossfunktionalen Team ab oder ein Manager entscheidet Kraft seiner Macht und nicht über das bessere Argument, wie Lucas Klein, langjähriger Teambank-Mitarbeiter und Transformationsbefürworter, anmerkt. Neuerdings allerdings, so hat er beobachtet, geschehe dies immer häufiger mit der Einleitung: „Solange wir hier noch die Hierarchie haben, machen wir das jetzt so.“ Nicht zuletzt dieser Nachsatz lässt erahnen, dass sich im Unternehmen im Hinblick auf das Thema Führung bald etwas ändern wird. Stracke: „Wir sind genau an dem Punkt, an dem man spürt. Wir haben genug experimentiert und müssen jetzt auch mal Entscheidungen treffen.“

Gerade das Entscheiden ist aber gar nicht so einfach. So sind sich die Befürworter des Wandels bewusst, dass der Stolz und die Freude an ihrer besonderen Kultur sie zum Teil daran hindern, etwas zu ändern. Stracke: „Wir haben auch Angst, etwas zu zerstören und fragen uns zum Beispiel: Frustrieren wir die Führungskräfte, wenn wir ihnen Macht wegnehmen?“ Hinzu kommt: Die Teambank ist eine sehr erfolgreiche Bank. An den Geschäftszahlen gemessen hatte sie 2019 das beste Jahr in der Firmengeschichte. „Der Druck, etwas zu verändern, ist daher gefühlt nicht ganz so hoch“, ergänzt Kommunikationsleiterin Brinkmann. Und sie ergänzt: „In der Vergangenheit haben auch gerade Krisen den Wandel beschleunigt.“

Die Krise hat dem Management gezeigt, was alles möglich ist

Wie zur Bestätigung dieser These beschleunigt die aktuelle Krise den Wandel und hat auch bereits zu einer Entscheidung beim Thema Homeoffice bzw. flexibles und mobiles Arbeiten geführt, das während des Lockdowns sehr gut funktioniert hat. Konkret bedeutet das: Auch wenn die coronabedingten Anwesenheitsbeschränkungen nicht mehr nötig sind, soll das mobile Arbeiten eine deutlich größere Rolle im Unternehmen spielen: Durften bislang nur 30 Prozent der Mitarbeiter einer Abteilung regelmäßig von zuhause arbeiten, ist dies ab August allen Mitarbeitenden für bis zu 60 Prozent ihrer Arbeitszeit erlaubt. Wie genau dann die Zusammenarbeit in den Teams aussieht – etwa wer wann und aus welchem Grund im Büro sein sollte –, ist getreu der Grundsätze der Teambank nicht vorgeschrieben. „Auch hier vertrauen wir darauf, dass sich jeweils die beste Lösung durchsetzen wird“, erklärt Stracke.

Daran, dass die Krise diesen Wandel beschleunigt hat, besteht kein Zweifel. Ein Vorstoß zu Flexibilisierung von Arbeitszeit und Arbeitsort, den das Personalmanagement früher gewagt hatte, war an heftigem Gegenwind des Management Boards gescheitert. Zum jetzigen Zeitpunkt allerdings sind sich die Befürworter sicher, könnte man die Zeit gar nicht mehr zurückdrehen. „Wenn die Vorstände nach den guten Erfahrungen der letzten Wochen die Rückkehr nach den alten Regeln anordnen würden, würde das heftige Diskussionen auslösen. Mindestens wir vom Personalmanagement und von der Kommunikation würden sagen: ‚Das könnt ihr nicht machen‘“, ist Brinkmann überzeugt. Personalmanager Rauh resümiert: „Das Beste, was das Management bei der Entwicklung zum agilen Unternehmen tun kann, ist den richtigen Moment zu erkennen und dann eine Entscheidung zu treffen. Zu sagen: So soll es jetzt sein.“

ANDREA BITTELMEYER

Organisch transformieren

Für die agile Transformation gibt es bei der Teambank kein vorgefertigtes Konzept. Statt auf das Prinzip „Change auf einen Schlag“ setzt das Unternehmen auf eine organische Weiterentwicklung von innen heraus. Dafür gibt es kein Rezept, aber Grundbedingungen, die den Wandel begünstigen.

Die Werte leben
Die Teambank hat sich zu ihren Werten verpflichtet, die auch überall im Firmengebäude in großen Lettern zu lesen sind. Darunter: Wir sind ehrbare Kaufleute. Wir sind ein Team. Wir sind persönlich und wertschätzend. Diese Werte werden täglich gelebt und von den Mitarbeitern auch eingefordert. Selbst der Vorstand könne nicht gegen sie handeln, sind die Teambanker überzeugt.

Die Gemeinschaft stärken
Ein ganz zentraler Erfolgsfaktor des Unternehmens ist – wie auch der im Jahr 2007 neu gewählte Name schon erahnen lässt – das herausragende Team. Die Mitarbeiter heben dieses auch in Befragungen heraus. Während der Krise hat die Teambank den Zusammenhalt über Online-Events gestärkt. Wichtig war ihr, die Nähe und den informellen Austausch, den es in der Firmenzentrale gibt, auch weiterhin zu fördern.

Auf Augenhöhe kommunizieren
Das Du gilt in der Teambank schon seit mehr als einem Jahrzehnt bis in die Vorstandsebene hinein. Es fördert die unmittelbare Kommunikation auf Augenhöhe, die ausdrücklich erwünscht ist. Der Vorstand lädt Mitarbeiter in die Vorstandssitzung ein, damit sie dort die Themen einbringen können, die sie bewegen.

Unternehmertum fördern
Die Mitarbeiter werden ermutigt, Eigenverantwortung zu übernehmen und die Initiative zu ergreifen. Sei es für ihre eigene Laufbahn, für neue Formen der Zusammenarbeit oder aber für ein innovatives Geschäftsmodell.

Räume öffnen
Die Personalentwicklungsmaßnahmen bei der Teambank orientieren sich nicht an fertigen Konzepten, sondern öffnen den Mitarbeitern Räume, damit sie ihren eigenen Weg finden können. So können sie bei sogenannten Learning Journeys innovative Unternehmen kennenlernen. Bei der Maßnahme „Unternehmer gesucht“, können sie innovative Geschäftsmodelle vorschlagen und entwickeln.

Kleine Schritte machen
Weniger gute Erfahrungen hat der Bereich Personalentwicklung mit umfangreichen Change-Konzepten gemacht. Daher bekennt er sich ausdrücklich zum Experimentieren: Einen Impuls setzen. Schauen, was passiert und dann den nächsten Schritt gehen.

Organischen Wandel fördern
Kultur kann man nicht bestimmen, sie muss wachsen und entstehen, heißt es bei der Teambank. Der Wandel findet daher organisch statt: Angestoßene Veränderungen, die sich als gut und passend erweisen, werden beibehalten.

Nicht kopieren
Ein wichtiger Rat der Teambank an andere Unternehmen: Findet raus, heraus, wer Ihr seid und wo Ihr steht und macht das, was Euch im Kern ausmacht zu Eurer Kernkompetenz. Hört auf Eure Kunden und hört auf Eure Mitarbeiter. Einzeln sind auch die Maßnahmen, die die Teambank ergreift, nichts Besonderes, so ist man hier überzeugt, sie wirken in der Gesamtschau. Einfach kopieren kann man sie deshalb nicht.