Sie haben Hausverbot!

Sie haben Hausverbot!

An Alster und Elbe wird vielerorts immer höher und dichter gebaut. Für das klassische Einfamilienhaus ist kaum noch Platz – das sorgt für reichlich Ärger.

Wer in Hamburg ein Einfamilienhaus bewohnt, muss sich um Gesprächsstoff keine Gedanken machen – er lebt darin. Seit im Frühjahr der Bezirk Hamburg-Nord unter dem grünen Amtsleiter Michael Werner-Boelz beschlossen hat, in neuen Baugebieten keine Nutzung für Einfamilien- und Reihenhäuser mehr auszuweisen, wird im ganzen Land darüber diskutiert, ob diese Wohnform noch zeitgemäß ist. Die Vorgabe aus dem Bezirksamt erhitzt die Gemüter potenzieller Eigenheimkäufer, betrifft der Beschluss doch viele beliebte Wohngegenden, darunter Winterhude, Barmbek, Groß Borstel, Langenhorn und Ohlsdorf. Der Wunsch nach einem eigenen Haus mit Terrasse und Garten ist riesig, und durch Corona wird die Nachfrage zusätzlich stimuliert.

149.000 Gebäude mit einer Wohneinheit weist der Mikrozensus 2018 für die Hansestadt aus. Das macht gut 16 Prozent aller Wohnungen im Stadtstaat. Wenn es nach den Immobiliensuchenden ginge, könnten es viel mehr sein. „Sämtliche Häuser, die wir anbieten, werden innerhalb kürzester Zeit und zu sehr anspruchsvollen Preisen aufgesogen“, sagt etwa Andreas Tönjes, Geschäftsführer beim Hamburger Makler Sparda Immobilien.

Anreize für den Wohnungsbau

Die für den Neubau von Einfamilienhäusern ausgesprochene Einschränkung im Bezirk Hamburg-Nord zeigt jedoch die Richtung auf, in die die Entwicklung im gesamten Stadtgebiet geht: Es wird höher und dichter gebaut, um mehr Wohnraum zu schaffen und im Sinne einer nachhaltigen Stadtentwicklung den Verbrauch von Baumaterial und Flächen zu mindern. So sind die großen Neubaugebiete wie die Neue Mitte Altona oder das in Winterhude am Stadtpark gelegene Pergolenviertel von hohen Geschossbauten geprägt. Die Wohnungen sind gefragt, die Preise stattlich. In dem Neubauprojekt „My One“ im Pergolenviertel etwa werden gerade Wohnungen für 7.500 Euro pro Quadratmeter angeboten, für einzelne Objekte werden sogar 9.500 Euro aufgerufen. Der Wunsch nach einem Einfamilienhaus lässt sich hier in Form eines Townhouses verwirklichen – zu Preisen von 8.900 Euro pro Quadratmeter.

Einen Kilometer weiter östlich beschreitet die Stadt neue Wege, indem sie einen sogenannten Angebotsplan schafft. Auf einer 3,15 Hektar großen Dreiecksfläche zwischen Bramfelder Chaussee, Fabricius- und Unnenland wird der Bebauungsplan so überarbeitet, dass dort fünf- bis sechsgeschossig statt bislang maximal zweigeschossig gebaut werden darf. Die Aufwertung soll den Eigentümern den Wohnungsbau oder den Verkauf ihrer Grundstücke an Immobilienentwickler schmackhaft machen.

In Sachen Neubau gilt die Hansestadt im Vergleich zu anderen deutschen Großstädten ohnehin als Vorbild. In den vergangenen zwei Jahren wurden jeweils rund 10.000 Wohnungen fertiggestellt, die zu einem Drittel von Privatleuten gekauft wurden. Dennoch übertrifft in Hamburg die Nachfrage nach Eigentum das Angebot deutlich – was sich auch im Jahr der Pandemie in stark gestiegenen Preisen niedergeschlagen hat. Wohnungen im Bestand verteuerten sich hamburgweit um 7,5 Prozent, Neubauten immerhin um 6,6 Prozent.

Die Steigerungsraten in den traditionell guten Wohnlagen an Alster und Elbe sowie zentrale Trendviertel wie St. Georg, Sternschanze oder Altona sind dabei teils geringer als in weniger attraktiven Gegenden. Der Boom hat längst Stadtteile wie Niendorf erfasst, in die Familien klassischerweise der Enge und den hohen Preisen der Innenstadt entfliehen. Dasselbe gilt für andere zentrumsfernere Stadtteile wie Wandsbek oder Rahlstedt, wo der Alsterzufluss Wandse immerhin die ewige Sehnsucht der Hamburger nach dem Wasser stillt.

Makler berichten von einer „Aufholjagd“, deren Tempo mit steigender Entfernung vom Stadtzentrum zunimmt. „Die steilste Preisentwicklung erleben wir derzeit im Umland“, erklärt Nicholas Kring, Gebietsleiter für Hamburg und Niedersachsen bei McMakler. „Im vergangenen Jahr sind die Preise in manchen Gemeinden um 15 Prozent nach oben geschnellt“, bestätigt Andreas Gnielka, Geschäftsleiter beim Hamburger Makler Grossmann & Berger. Vor der Pandemie sei ein Haus im Umland für viele ein Kompromiss gewesen. In Zeiten von Homeoffice hat sich der Nachteil eines längeren Arbeitswegs in die Stadt relativiert. Die Preise für Einfamilienhäuser werden seiner Ansicht nach daher stärker zulegen als die für andere Immobilien.

Auch im Hamburger Stadtgebiet ist diese Wohnform nach wie vor besonders begehrt, zum Beispiel im südlich der Elbe an der Grenze zu Niedersachsen gelegenen Stadtteil Neugraben-Fischbek. „In den Wohngebieten Vogelkamp Neugraben und Fischbeker Heidbrook gab es einen Run auf Einfamilienhäuser,“ berichtet Sabine de Buhr von der städtischen Entwicklungsgesellschaft IBA Hamburg. In den vergangenen Jahren wurden hier mehr als 500 Grundstücke für Einfamilien-, Doppel- und Reihenhäuser verkauft. In beiden Gebieten sind derzeit keine weiteren Grundstücke zu erwerben. Für das an den Heidbrook angrenzende Gebiet Fischbeker Reethen startet der Verkauf nicht vor 2023. Wenn in Neugraben-Fischbek einzelne Neubauobjekte auf den Markt kommen, kosten sie laut iib-Institut im Schnitt 3.400 Euro pro Quadratmeter.

Die HafenCity wächst weiter

Der Stadtteil Wilhelmsburg, auf einer Insel zwischen Norder- und Süderelbe gelegen, wird seit Jahren als künftiges Trendviertel gehandelt, wurde diesen Erwartungen aber bislang nur bedingt gerecht. Vielleicht bringen neue Projekte den erhofften Aufschwung: Nur wenige Minuten mit Bus und Bahn vom Hauptbahnhof entfernt entstehen unter Obhut der IBA mehrere Neubaugebiete mit rund 5.000 Wohneinheiten. Zunächst werden im stellenweise ländlich geprägten Georgswerder 190 Einheiten mit Mietwohnungen, Ein- und Zweifamilien- sowie Reihenhäusern gebaut. Die Grundstücke für frei stehende Einfamilienhäuser sind auf 25 begrenzt. Verkaufsstart ist frühestens im kommenden Jahr.

Im Blickpunkt der Immobilieninteressenten steht nach wie vor auch die Hafencity. Europas größtes innerstädtisches Stadtentwicklungsprojekt schreitet Richtung Osten voran, wo im neuen Quartier Baakenhafen dem öffentlich geförderten Wohnungsbau mehr Platz eingeräumt wird. Eigentumswohnungen nahe dem Wasser werden allerdings zu ortsüblichen Preisen verkauft, so etwa im Neubauprojekt „The Wave“, wo je nach Lage und Aussicht Preise von 9.500 bis über 17.000 Euro pro Quadratmeter aufgerufen werden. Deutlich günstiger errichten von der Stadt geförderte Baugemeinschaften hier Wohnraum. So wirbt die Baugemeinschaft „Am Leuchtturm“ mit einem Quadratmeterpreis von 5.700 Euro um Mitglieder.

5.000 Menschen leben heute in der Hafencity. Bis 2025 sollen es 15.000 sein. Konkretisiert haben sich auch die Pläne für den südlich der Elbe gegenüberliegenden Grasbrook. Hier sind ebenfalls auf ehemaligen Hafenflächen weitere 3.000 Wohneinheiten geplant.

Das ambitionierte Bauprogramm könnte dazu führen, dass der Preiszyklus auf dem Hamburger Immobilienmarkt früher zu Ende geht als anderswo. Die Deutsche Bank rechnet damit, dass der Markt in der Hansestadt bereits 2022 einen vorläufigen Höchstpunkt erreichen könnte. Regionale Makler rechnen allerdings damit, dass die Preise trotz der Corona-bedingten gesamtwirtschaftlichen Unsicherheiten weiter zulegen, wenngleich auch langsamer. Auch Mieten, die zuletzt in Hamburg bei durchschnittlich 13,50 Euro pro Quadratmeter für Bestands- und bei 16,25 Euro für Neubauwohnungen lagen, dürften in Zukunft nur moderat steigen. Schlechte Nachrichten für Kapitalanleger, die schon heute bei einem Neukauf in vielen Vierteln kaum mehr Mietrenditen von drei Prozent erzielen. Lukrativere Investments finden sich in den Gemeinden vor den Toren der Hansestadt.

Andrea Bittelmeyer